Lohnt sich der Hype um Pizza & Pasta? Jamie’s Italian in Wien macht auf

Für Sie getestet: Die Weinschwenker waren ein paar Tage vor der Eröffnung zu einem Probeessen in dem neuen Restaurant am Wiener Stubentor.

Die Begrüßung ist very british. Mit viel Understatement führt uns die Empfangsdame an den Tisch. „Please be patient“, sagt sie, man solle Geduld mitbringen, das Personal werde erst noch geschult. Noch bevor die pop-art-bunte Speisekarte kommt, macht das Ambiente mächtig Eindruck auf Die Weinschwenker. Feine Edelsteinfarben von Bernstein über Smaragd zu Rubin dominieren die Ausstattung – alles sehr schön in verschiedenen Stoffen und Materialien kombiniert mit ausladenden bronzefarbenen Leuchtern, die ein angenehm warmes Licht über den ganzen Raum verstreuen. Art Deco modern, von der besonders verspielten Art. Das war schon mal ein Wohlfühlfaktor, mit dem der gute Jamie bei uns punkten konnte. Dass wir dann spontan entgegen der Reservierung für zwei Personen zu dritt auftauchten und dann noch bei der Platzwahl Sonderwünsche hatten, stellte für das Personal scheinbar keine große Herausforderung dar. Ein schöner Platz mit Eckbank, von dem man große Teile des Lokals überblicken konnte, war für die nächsten zweieinhalb Stunden der Unsere.

Zweieinhalb Stunden? Mittags? Die müssen ganz schön zugeschlagen haben, könnte man jetzt denken. Weit gefehlt: Einfache Antipasti, ein schlichtes Hauptgericht und ein kleines Dessert. That’s it – basta. Die Speisedauer hatte einen anderen Grund.

Jamie Oliver Jamies Italian. Die Weinschwenker

Kritischer Blick: Die Weinschwenker studieren die Karte des neu eröffneten „Jamies Italian“ in Wien

Der Rat der Großmutter: Wenn Du nichts Nettes zu sagen hast, schweige lieber!

Doch schön der Reihe nach: Als Entrée ein Prosecco, der sicher nicht schlecht war, mit seinem feinen Prickeln und der fruchtigen Säure auch irgendwo seinen Job als Appetitanreger gemacht hat, darüber hinaus aber keine bleibende Erinnerung hinterließ. Von da an wurde es aber spannend. Drei verschiedene Antipasti wurden bestellt: Ein Kürbiscremesüppchen mit Ingwer, ein Schälchen Calamari fritti mit Chilli und hausgemachter Aioli und noch eine Bruschetta mit Krabben und Avocado. Wirklich einen bleibenden Eindruck hinterlassen konnte danach nur die Bruschetta. Fein abgestimmte Gewürze, herzhaft angebratene Krabben, ein wenig Kresse auf einer dicken Avocadoschicht; die Avocado kam geschmacklich zwar nicht richtig durch, fungierte aber wegen ihrer Cremigkeit wunderbar als Geschmackverstärker. Mangels wirklicher Alternativen ging der Terlaner Pinot Grigio ganz gut dazu, richtig durchschlagend war er wie die gesamte Weinkarte nicht. Bei den beiden anderen Vorspeisen halten wir uns an den Rat meiner Großmutter, der da hieß: Wenn Du nichts Nettes zu sagen hast, sag lieber nichts. Gut, ich sag was dazu: Es war Okay. Dass man selbiges in gleicher Qualität bei jedem etwas gehobenen Italiener bekommt, ist mir jetzt noch rausgerutscht. Sorry Oma. Positiv erwähnenswert bei den Vorspeisen wäre da noch die Weinbegleitung zu den Calamari – ein wirklich schöner Greco di Tuffo, zum Essen eine passende regionale Analogie.

Auf unheimliche Art freundlich – und unheimlich ahnungslos

Der für uns zuständige Kellner, ein junger, in Englisch und auf Deutsch radebrechender Ungar, schlug sich bis dahin tapfer, bemühte sich um enorme Freundlichkeit, zeigte Zuvorkommen und wollte mit jeder Aktion den, unserem Empfinden nach, antrainierten Servicegedanken demonstrieren. Der Arme konnte einem manchmal leidtun, ob der Neugier der Weinschwenker, die das eine oder andere auf der Speisekarte noch genauer wissen wollten. Hier stieß der junge Mann offenbar auch sprachlich schnell an seine Grenzen, und musste öfter bei vermeintlich einfachen Fragen mit der Küche Rücksprache halten. Auch bei den Weinempfehlungen war er weit weg von „Up to Date“. Ohnehin zeigte sich die Kommunikation mit dem Kellner einige Male als schwierig. Wir wollen absolut nicht einzelne Personen kritisieren, aber wenn ein Restaurant mit dem klingenden Namen Jamie Oliver in wenigen Tagen eröffnet, dann würde man erwarten, dass das Personal soweit geschult ist, dass es zumindest mit den grundsätzlichen Abläufen in einem gehobenen Restaurant vertraut ist. Dass es hie und da bei den individuellen Abläufen ein wenig haken kann, das würde gerade zu Beginn wohl jeder verzeihen.

Jamie Oliver Jamies Italian. Die Weinschwenker. Küche

Geschäftig: der Küchenbereich des „Jamies Italian“

Der Kellner nickte: das war der Anfang vom Ende

Ebenso wäre es zu verzeihen, wenn man in der Anfangsphase mal auf sein Essen ein paar Minuten länger warten muss. Es ist klar, dass Küche und Service sich erst aufeinander einspielen müssen. Schließlich müssen auch im Spitzensport Profis jeden Tag hart trainieren, um die Abläufe des Spiels aus dem FF zu beherrschen. Unser Eindruck war aber, dass große Teile der Mannschaft aus dem Amateurbereich kommen. Das zeigte sich an grundlegenden Dingen, wie z.B. die Wünsche des Gastes richtig an die Küche weiter zu geben. Der kleine Sonderwunsch eines Schälchens Pasta, den wir eine halbe Stunde nach der eigentlichen Bestellung äußerten, wurde uns zum Verhängnis. „Bringen Sie es einfach, wenn es fertig ist, nur keine Umstände“, hatten wir sicherheitshalber noch dazugesagt. Der Kellner nickte. Aber hatte er uns auch verstanden? Offenbar brachte die kleine Nachbestellung alle Abläufe gründlich durcheinander – und die Küche stoppte die Auslieferung. Die Hauptgerichte wurden so lange im Ofen warm gehalten, bis die Pasta fertig war. Wir sprechen hier von einer Stunde! Die Folgen kann man sich vorstellen. Beim Veal Milanese war die Panade vom Fett getränkt, so wie es in der Werkskantine passiert, wenn das Ding stundenlang in der aufgewärmten Auslage liegt. Der arme Seebarsch musste mit seiner Quinoa-Granatapfelfüllung ebenfalls die gesamte Zeit in der Warmhalte verbringen, nur um minütlich an Geschmack und Konsistenz zu verlieren. Die Beilage aus Fenchel, Orange und Granatapfel mit Chilli-Minz-Dressing hatte dabei noch am wenigsten darunter gelitten, doch das Fleisch war trocken schmeckte fad. Die Pizza mit Parmaschinken und Rucola hingegen war lecker, der Teig fluffig locker und der Belag mit feinen hochwertigen Zutaten. Okay, hier sprechen wir von Pizza. Leckerer Pizza zwar, aber viel falsch machen kann man dabei sicher nicht.

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Jamie’s Bar: auch im Souterrain des Lokals ein stilsicheres Ambiente

Und der Wein? Von ranzig bis ordentlich. Mehr leider nicht!

Ein Wort noch zu den Hauptgang-Weinen. Der Chianti Classico war fehlerhaft und schlichtweg ungenießbar und roch ranzig. Positiv zu erwähnen ist, dass er anstandslos zurückgenommen und gegen einen anderen Wein getauscht wurde. Der Blaufränkische aus dem Burgenland zum Kalbschnitzel Milanese passte sehr gut und war von ordentlicher Qualität. Auch beim Hauptgang ist aber keiner der Weine in bleibender Erinnerung geblieben – weder positiv noch negativ (abgesehen von besagtem Chianti Classico, was aber auch in guten Restaurants passieren kann). Rund 60 Filialen des italienisch angehauchten Franchisekonzepts hat der britische Koch und Gastro-Unternehmer mittlerweile weltweit eröffnet. Das Konzept erfand Jamie Oliver gemeinsam mit dem italienischen Koch Gennaro Contaldo im Jahr 2008 in Oxford. Die Idee dahinter: Gerichte zu servieren, die sie seit ihrer Kindheit lieben und inspirieren. Die Wiener Dependance wird übrigens von der ungarischen Zsidai Gastronomy Group geführt, die auch in Budapest ein „Jamies Italian“ betreibt. In allen Restaurants steht Jamie natürlich nie in der Küche, nur die Rezepte sind vom Meister. Der muss allerdings aufpassen, dass der Jamie Twist – viel angebratener Knoblauch, Chili und Olivenöl in (fast) jedem Gericht – nicht zur Masche verkommt.

Bevor wir ein Resumé ziehen, noch kurz ein Wort zum Dessert: Vin Santo Tiramisu mit Orangenzesten und Schokospänen. Lecker – fein abgestimmt und ein schöner Abschluss.

Unser Fazit Hart, aber fair!

Die Weinschwenker: Jamies Italian in Wien im Test

Ordentliche, aber keine Top Qualität.
Service sehr bemüht, doch oft überfordert. Positiv formuliert: Noch Luft nach oben. Ein Anfängerfehler hat den Hauptgang versaut.
Weinkarte und Qualität der Weine ordentlich, aber nicht außergewöhnlich. An manchen Stellen ist die Weinkarte zu dünn.
Preis-Leistung: Preise sind höher als beim „Lieblingsitaliener“ um die Ecke. Die Leistung kann nur bedingt mithalten.

Wenn man Die Weinschwenker fragt: Extra nach Wien zu fahren – NEIN. Wenn man schon da ist und in einem schönen Ambiente speisen will – warum nicht!

Gut zu wissen Location

Jamie’s Italian Stubentor

Adresse Dr.-Karl-Lueger-Platz 5, 1010 Wien

Öffnungszeiten Mo.-So.: 11:30–23:00 Uhr

Web www.jamieoliver.com/italian/austria/restaurants/stubentor/

Einblicke © Foto: Die Weinschwenker

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