70 Jahre doch kein bisschen müde

Zierfandler Vertikal-Verkostung der Jahrgänge 1948 bis 2017 auf den Weingut Gebeshuber

In Wien trifft sich die internationale Weinszene auf der VieVinum, um die neuesten Tropfen von der Wachau bis zum Burgenland zu verkosten. Draußen hat es 33°C, drinnen in der Hofburg noch ein paar Grad mehr – die Begleitumstände (-Gerüche) lassen wir an dieser Stelle lieber unerwähnt. Da trifft es sich hervorragend, dass „Winemaker“ Johannes Gebeshuber ins 25 km entfernte und sehr beschauliche Gumpoldskirchen geladen hatte. Anlässlich des 20-jährigen Bestehens seines Ausnahmeweinguts war die Ankündigung, einige alte Tropfen aus der Zierfandler-Schatzkiste von 1948 bis 2017 zu verkosten. Man durfte mehr als gespannt sein.

Johannes Gebeshuber, ein Winzer mit Geschick und Ausstrahlung hat sich mit dem Weingut einen Lebenstraum erfüllt

Wie wir wissen, war der „Gumpoldskirchner“ – so nennt sich der Wein aus den Rebsorten Zierfandler und Rotgipfler – früher an den Fürstenhöfen weit über die Grenzen des Habsburger Reiches bekannt und geschätzt. Im vorigen Jahrhundert noch tranken Chruschtschhov und Kennedy bei ihrem Treffen in Wien zum Staatsbankett Gumpoldskirchner Wein.

Eine Reise genau in diese Vergangenheit unternahm Johannes Gebeshuber mit dem Öffnen alter Weine. Angefangen bei 1948 und begleitet von Anekdoten, geschichtlichen Ereignissen, Wetterverhältnissen der diversen Jahrgänge, bekamen die geladenen Gäste nicht nur die edelsten Tropfen der vergangenen Jahrzehnte zu verkosten, sondern erhielten eine Lehrstunde im positiven Sinne in Gumpoldskirchner Weinbautradition. In einer herrlichen Umgebung auf dem alten, aber top in Schuss gebrachten Weingut, ging es dann aber doch um den Vergleich der Zierfandler-Jahrgänge aus sieben Jahrzehnten.

Verkostungsblatt mit allen zu verkostenden Jahrgängen

Um das Fazit gleich vorweg zu nehmen: Von Alterstönen fast keine Spur – eine Frische im Glas, die kaum einer der geladenen Gäste für möglich gehalten hatte – und eine Fruchttiefe, die manche Nase und Gaumen überraschte. 70 Jahre war der älteste Wein und der war kein bisschen müde – darin waren sich alle einig. Der gereifte Zierfandler (auch Spätrot genannt) betört schlichtweg mit seinen Aromen von tropischen Früchten, eingelegten Birnen, einer vielschichtigen Mineralität und einer perfekt ausbalancierten Säure.

Neben dem sympathischen und immer gut gelaunten Gebeshuber sitzt Konrad Reisacher mit sonnengegerbten Gesicht und von harter Weinberg- und Kellerarbeit gezeichneten Händen. Gespannt hängen die Zuhörer an seinen Lippen, wenn er trotz rudimentärem Englisch sein schier grenzenloses Wissen über Gumpoldskirchener Geschichte, Terroir und Rebsorten teilt. Reisacher ist eine Weinlegende, nicht nur wegen seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Winzer oder als Vorsitzender der Winzergenossenschaft. Der 80-Jährige war bei der Entstehung (fast) aller der zu verkostenden Jahrgänge direkt oder indirekt beteiligt. Geduldig erklären die beiden, warum der Zierfandler eine der prädestinierten Rebsorten für jahrzehntelanges Lagern ist. Es ist die hohe Trauben-Reife, die der Zierfandler unter den klimatischen Bedingungen um Gumpoldskirchen erzielt, es ist der Muschelkalkboden, der eine tiefe Mineralität ergibt und es ist die ausgeprägte Frucht sowie eine angenehme Säure, die ihn oft nach Jahren noch frisch wirken lässt.

Zierfandler Auslese 1978 von der Lage Grimling

Aber nicht nur die älteren Jahrgänge, auch die neueren haben durch die Bank überzeugt. Durch die vertikale Verkostung kann man erahnen, welches Potenzial in den noch jüngeren Semestern steckt. Johannes Gebeshuber zeigt damit eindrucksvoll, dass er zwar die Tradition hoch hält, den Weinen durch viel Experimentieren, durch den Zukauf immer neuer Top-Lagen und durch Einsatz neuester Technik auch seinen ganz eigenen Stempel aufdrückt.

Johannes Gebeshuber (l.) und Konrad Reisacher, ehem. Vorsitzender der Winzergenossenschaft Gumpoldskirchen und wandelndes Weinlexikon.

Das Fazit der Weinschwenker:

Wir haben die Verkostung sehr genossen – nein, wir waren begeistert, haben viele neue Erkenntnisse gewonnen und waren froh, der stickigen VieVinum für ein paar Stunden zu entfliehen. Es war sicher nicht das letzte Mal, dass wir das Weingut Gebeshuber besucht haben, das nicht nur von der Qualität seiner Weine lebt, sondern auch von der Ausstrahlung und der Professionalität seines Winzers – eine echte Persönlichkeit.

Einer der „jüngeren“ Weine: Zierfandler 2010 der Lage Modler. Der Wein hat ein Reifepotenzial von min. 25 Jahren

 

Weinschwenkerin und Sommelière Yvonne Cornelius. Ihrer Nase entgeht nichts

 

Tradition: Einst war dies der Weinkeller der Stadt Wien

 

Gut zu wissen Weingut Gebeshuber

Johannes Gebeshuber hat das Weingut 1998 mit einem der prächtigsten Häuser der Marktgemeinde von der Winzervereinigung gekauft und den Keller mit seinen Schätzen quasi mit geerbt.

Rarität Zierfandler

Johannes Gebeshubers Herz schlägt schon immer für Zierfandler. Seine besten Lagen sind mit dieser Rebsorte bepflanzt. Die Zierfandler-Traube ist eine Kreuzung aus Rotem Veltliner und einer Traminerähnlichen Sorte. Sie zählt neben Rotgipfler zu den autochthonen Rebsorten der Thermenregion und wird beinahe ausschließlich in Gumpoldskirchen ausgepflanzt. Die Gesamt-Anbaufläche in Österreich beträgt 77 Hektar. Dafür verträgt sie Trockenheit und einen hohen Kalkgehalt im Boden. Bekannt ist die Sorte mit über 40 Synonymen, darunter auch „Spätrot“, weil sich die Trauben bei der spät eintretenden Reife rot färben. Aufgrund des hohen Zuckergehaltes eignet sich Zierfandler auch gut zur Bildung vonTrockenbeeren und in weiterer Folge für die Produktion von kostbarem Süßwein.

Die Gebeshuber Einzellagen-Weine

  • Lage Modler: Zierfandler
  • Lage Laim: Rotgipfler
  • Lage Viereck: Pinot Noir
  • Lage Glas: St. Laurent

Daneben vertreibt er noch vier Ortsweine mit dem Namen Vom Muschelkalk (ebenfalls Zierfandler, Rotgipfler, Pinot Noir und St. Laurent) sowie zwei Gemischte Sätze (rot und weiß, aus den o.g. Rebsorten)

Anschrift:

Weingut Gebeshuber

Jubiläumsstraße 43

2352 Gumpoldskirchen

Tel: +43 2252 611 64

Mehr Infos auf der Winzerwebseite.

Wegbeschreibung

 

 

 

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